Mein denkwürdigster Auftrag als Fotodesignerin?
- Katharina Stohr
- 1. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Schon ein paar Jährchen her. Ich wurde in eine Stadt beordert, zwei Stunden Fahrzeit entfernt, Business-Porträtfotos von etwa 20 leitenden Angestellten, die sich dort zur mehrtägigen Fortbildung aufhielten. Schnell sollte es gehen, draußen sollte es sein und natürlich: Alle sollten gut aussehen.

Kein Problem. Ich fuhr früh genug los, erkundete die Umgebung am Treffpunkt, fand eine passende Location in einem Park, holte kurz die Genehmigung zum Fotografieren bei der zuständigen Behörde ein, baute das gesamte Foto-Equipment auf und wartete - die Sonne brannte vom Himmel herunter.
Und dann kamen sie: Zwanzig Menschen, von denen einige davor die Nacht durchgezecht und kaum geschlafen hatten. Dementsprechend wirkten sie: Fahle Gesichtsfarben, tiefe Augenringe und gelinde gesagt wenig frisch. Da half auch kein Anzug oder sonstiges adrettes Outfit.
Schon als die erste Person vor der Kamera stand, hörte ich, wie jemand im Hintergrund Witze über Kühe riss und einige der Models sich vor Lachen kaum halten konnten. Sie blickten dabei in meine Richtung und es war klar, auf was sie anspielten.
Als Profi gebucht, konzentrierte ich mich darauf, die jeweiligen Leute vor der Kamera locker zu kriegen, zu motivieren und den besten Schuss zu machen. Dass sich erwachsene Menschen in leitenden Funktionen über Kühe und Kuhliebhaberinnen lustig machen, damit kann ich gut leben. Nicht jeder hat das Glück und das Privileg, diese kostbaren Tiere wirklich kennen- und schätzen zu lernen.
Was danach geschah, hat mich allerdings nachhaltig beeindruckt. Über meine Auftraggeberin erfuhr ich, dass sich einer der Abgebildeten auf seinem Foto absolut nicht gefallen hat. Er kommentierte das Ergebnis damit: „Was will man schon von jemandem erwarten, der Kühe fotografiert.“
Nun ist's halt mal so: Kein Lightroom, kein Photoshop, keine Beauty-Retusche und keine noch so guten Fähigkeiten und Kenntnisse der Bildbearbeiterin können das Roh-Material eines Fotos in eine makellose Schönheit verzaubern, wenn das Objekt vor der Linse in der Nacht zuvor Party gemacht hat. Zumal, wenn die gesamte Fotoaktion auch noch wirtschaftlich vertretbar bleiben soll.
Was ich daraus gelernt habe? Ich werde weiterhin bei meiner guten Erziehung bleiben und alle Menschen und Tiere vor meiner Kamera respektvoll behandeln. Und ich werde weiterhin zuhören und wahrnehmen, wenn jemand – wie in diesem Falle - ganz viel über sich selbst erzählt …
Aus der Serie: Die Erfahrung macht reich.